Gedanken zur Liebe #13 - (Dis)connect
- Melani

- 29. Sept. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Aus Liebe zur zeitlichen Freiheit.
Es besteht kein Zweifel mehr daran, dass wir heutzutage täglicher Reiz- und Informationsüberflutung ausgesetzt sind. Ich selbst merke manchmal gar nicht, was für eine innere Unruhe in mir herrscht und wie sich mein Körper in Folge dessen auch teilweise verkrampft. Deshalb möchte ich unbedingt über etwas Wichtiges, nämlich den Stress, der auf die Kommunikation im digitalen Zeitalter und die Onlinepräsenz zurückgeht, zu sprechen bzw. schreiben kommen.
Man muss 24/7 erreichbar sein, am besten jedem sofort antworten, online unter Beweis stellen, dass man ein aufregendes Leben hat, usw. Seien wir uns jetzt mal ganz ehrlich - wer hat noch nie so empfunden?! Falls jemand keinen dieser genannten Gedanken hegte, sei es nun bewusst oder unbewusst, dem gebühre ein lautstarker Applaus. Für all jene, die in der Vergangenheit oder auch heute noch mindestens einen dieser Glaubenssätze hatten, gebühren meine nächsten Zeilen.
Es war vor cirka 4 Wochen, als ich gemerkt habe, dass mir jegliche Kraft für soziale Interaktion ausging. Unvermeidliches stundenlanges Sitzen vor dem Bildschirm und die unendliche Anzahl an Wörtern auf dem Screen haben negativ dazu beigetragen. Ich war wie ein Zombie, der sich in seinen eigenen vier Wänden eingeschlossen hat und mit niemandem kommunizieren wollte. Ich fühlte mich leer und ausgelaugt. Ich zähle mich zu den Menschen, die oft im Dienste eines People Pleasers agieren. Wenn mir jemand schreibt, schreibe ich so schnell es geht zurück. Der Mensch auf der anderen Seite der Leitung soll nicht lange warten müssen oder das Gefühl haben, ich wäre arrogant oder schätze die Person nicht. Allein wenn ich das schreibe, muss ich den Kopf schütteln und bin fassungslos über mich selbst. Wenn sich jemand mit mir treffen möchte, hole ich oft in der Sekunde zu zeitlichen Spagaten aus, fülle meinen Terminkalender bis keine weiße Stelle mehr zu sehen ist und gönne mir keine freien Tage, an denen ich einfach nichts tue. Der Mensch auf der anderen Seite der Leitung soll nicht lange warten müssen oder das Gefühl haben, ich wäre arrogant oder schätze diesen nicht. Und mit all diesen Handlungen zeige ich mir aber, wie wenig ich mich selbst schätze. Mich und meine kostbare Lebenszeit und -energie.
Nun, was resultierte daraus vor vier Wochen: Social Media-Detox. Die Verbindung zur (sozialen) Onlinewelt wurde getrennt. Wie sich das angefühlt hat? Auf einmal waren die ganzen Hintergrundgeräusche, die einen unbewusst unter Druck und Stress setzten, weg. Keine endlosen Gespräche in denen man mit "Wie geht's?" und "Was machst du?" Ping Pong spielt. Es wurde angenehm ruhig, fast meditativ. Ich sage euch ganz ehrlich, ich habe es leid, immer erreichbar sein zu müssen. Immer sofort jede Nachricht zu beantworten. Immer sofort für jeden Zeit haben zu müssen. Immer sofort am neuesten Stand zu sein. Ich weiß nicht, worauf das alles zurückgeht, ob es die Angst ist, Zeit zu verlieren oder etwas zu verpassen. Ob man will oder nicht, die Zeit verstreicht. Wir können sie nicht stoppen. Aber bewusster und wertschätzender mit ihr umgehen. Und ich denke, je bewusster man die Zeit nutzt, umso langsamer vergeht sie auch (gefühlt). Oder ist es aber der Wunsch, von jedem gemocht zu werden und stets die nette Person sein zu wollen, die niemanden böse macht? Es kann für jeden andere Beweggründe geben. Aber ich denke nicht, dass sich diese bei allen von uns stark voneinander unterscheiden.
Und wenn man nun weiß, woher das kommt, gehts ans Angemachte. Raus aus dem Denken, dass wir jederzeit erreichbar sein müssen. Einfach offline sein und das Leben bewusst leben. Raus aus dem Denken, dass eine Person arrogant oder sonst etwas ist, nur weil die Person als "online" angezeigt wird oder etwas postet und dabei gleichzeitig einem nicht zurückschreibt. Man weiß nicht, womit diese Person gerade zu kämpfen hat, wie ihr Alltag aussieht oder mit wem diese Person spricht. Raus aus dem Denken, dass das nicht sofortige Zurückzuschreiben sofort persönlich genommen werden muss. Raus aus dem Denken, dass man alles sofort liegen lassen muss, nur weil das Gegenüber gerade mehr freie Zeit zur Verfügung hat oder schlichtweg gelangweilt ist. Auch bei dem engen Familien-/Freundeskreis, muss man nicht sofort springen, wenn man Hals über Kopf in Arbeit und sonstigen Verpflichtungen steckt oder auch einfach den Wunsch nach Ruhe und Zeit für sich hat. Wo sind die Zeiten hin, wo Kommunikation kein Muss, sondern eine bewusste Entscheidung und Wollen war? Wo das Wiedersehen und das persönliche Gespräch mit den Engsten im Vergleich zu den endlosen, oft belanglosen Online-Gespräche bevorzugt wurden?
Die letzten Wochen haben mich einiges gelehrt und umsetzen lassen:
Zeit für mich nehmen: Ich nehme mir nun bewusst Zeit für mich. Endlich gehe ich wieder regelmäßig trainieren, lese wieder mehr und habe unter der Woche Abende für mich, die ich nach Belieben gestalten kann, da ich mir an den Wochentagen nichts bzw. sehr selten etwas ausmache. In einer Welt, in der alles verbunden ist, sollte man von Zeit zu Zeit bewusst die Verbindung trennen.
Bewusstes Zurückschreiben: Ich schreibe zurück, wenn ich die emotionale Verfassung und Zeit dafür habe, in Ruhe und mit vollen Bewusstsein zu antworten. Bei Notfällen weiß ich, dass man mich sofort anrufen wird. Mittlerweile ruft auch niemand mehr an, um einfach nur zu quatschen, somit setze ich in meinem Fall Anrufe mit dringenden Anliegen und Notfällen gleich.
Persönliche Treffen: Ich vermeide endlose Ping-Pong-Gespräche und warte die persönlichen Treffen ab, um über alles zu sprechen.
Kein Rechtfertigen mehr: Ich rechtfertige mich nicht mehr, wenn ich keine Zeit habe oder jongliere mit meinen Terminen, sonder verschiebe Termine auf stressfreiere Wochen.
Terminplaner: Mein Terminplaner ist mein ständiger Wegbegleiter geworden, ohne den ich wahrscheinlich gar keine Ahnung hätte, was am jeweiligen Tag ansteht. Ich empfehle die aus Papier, da man dann auch seine Termine selbst hineinschreibt und so meine ich, bewusster einträgt.
Wir sollten es wieder normalisieren, dass die Freizeit eines Menschen nicht auch gleich seine Verfügbarkeit darstellt. Wir verdienen alle Zeit für uns selbst und die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, wie man seine kostbare Lebenszeit gestaltet.

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