Travel Story: Buenos Aires, Bohol, Philippinen
- Melani

- 25. Apr. 2020
- 6 Min. Lesezeit
Wir schreiben den 2. Mai 2019. Ich bin auf einer der wunderschönsten Inseln der Philippinen: Bohol. Genauer genommen bin ich in der kleinen Ortschaft Buenos Aires, in der Stadtgemeinde Carmen.
Alle die bereits auf den Philippinen waren, wissen, dass die Chocolate Hills eine Touristenattraktion sind, die man sich auf der Insel Bohol nicht entgehen lassen darf. Für alle, die es nicht kennen: die Chocolate Hills sind eine geologische Formation und zwar viele riesige Hügel, die aus der Erde ragen und einfach surreal aussehen.

Damit ich dieser Sehenswürdigkeit ganz nah bin, übernachte ich in dem einzigen Hotel des Dorfes Buenos Aires "Gonzala Suites", welches direkt in den Chocolate Hills angesiedelt ist. Nach tagelangem Verweilen in Hostel genieße ich zur Abwechslung meine eigenen vier Wände und absolute Privatsphäre. Und auch wenn diese Ruhe toll ist, vergeude ich auf meinen Reisen keine Zeit im Hotelzimmer. Also, kurz mal frisch gemacht und raus geht's. Ich merke, wie mich die Dorfbewohner sehr verwundert beobachten, die Kinder auf der Straße lächeln mir zu und alle Menschen begrüßen mich freundlich. Die Dämmerung ist vorüber, auf den Straßen hört man lautes Singen, klingt nach Karaoke-Abend. Ich folge dem Gesang bis ich zu einer kleinen Hütte komme. Ein alter Mann der vollkommen in seinem Element ist. Ich bleibe natürlich nicht lange unentdeckt. Die anderen drei Männer, die daneben stehen, ebenfalls die Musik spüren und genüsslich ihr Bier trinken, kommen mit so viel positiver Energie auf mich zu und bieten mir an, mich dazu zu gesellen. Auf geht's! Gerade noch schaffe ich es, ihnen die Idee, mich zum Singen anzustiften, auszureden, nachdem sie mir das Buch mit all den coolen 80's und 90's Songs in die Hand drücken.
Nach einigen Minuten verlasse ich die singende Truppe. Ich spaziere zurück ins Hotel, da ich am nächsten Morgen schon um 3:30 Uhr für den Sonnenaufgang aufstehen möchte. Auf dem Rückweg bemerke ich, wie sich eine Menschenmenge in und vor der Dorfkirche "Santa Cruz" ansammelt. Ich bleibe stehen und komme mit einer sehr freundlichen Frau ins Gespräch, die mir erzählt, dass am nächsten Tag ein religiöses Dorffest ("Fiesta") ist und die Menge sich für eine Prozession bereitmacht. Ich entscheide, mich dem Umzug anzuschließen (siehe Fotogalerie) und erhalte wie alle anderen auch eine Kerze, die ich sogar immer noch besitze.
Ich lerne den kleinen Sohn und den Mann der jungen Frau kennen. Diese Familie war unglaublich süß! Auch alle anderen Bewohner brachten mir so viel Herzlichkeit entgegen und waren neugierig, wer ich war. Nach der Prozession bleibe ich noch mit einigen der Menschen stehen, kaufe dem kleinen Jungen und seinen Freunden Süßigkeiten und komme mit dem Hotelbesitzer und weiteren Bewohnern ins Gespräch. Sie erzählen mir von der morgigen Fiesta und fragen, ob ich denn auch dabei wäre. Leider muss ich ihnen absagen, da ich bereits eine andere Unterkunft gebucht habe und diese etwas weiter weg liegt. Schade, denke ich mir, aber da wusste ich noch nicht, welchen Plan das Schicksal für mich bereithält.
3:30 Uhr. Ich bereite mein Foto-Equipment vor und mache mich frisch. Auf geht's! Pure Dunkelheit, der Weg ist nur an manchen Stellen beleuchtet. Keiner zu sehen. Nur die Geräusche der Natur und meine Schritte sind zu hören.
Nach einer halben Stunden habe ich die Plattform erreicht. Da wo sich Mengen von Touristen ansammeln, um einen Blick über die wunderschönen Chocolate Hills zu erhaschen, herrscht nun Leere. Doch ich bin nicht allein. Eine Gruppe von Teenagern, die auch für den Sonnenaufgang herkam, leistete mir Gesellschaft. Anfangs waren sie etwas schüchtern, aber irgendwann tauten auch sie auf und machten sogar ein Gruppenfoto mit mir. Ein guter Freund von mir hat mir vor meiner großen Reise seine Drohne ausgeliehen - nochmals vielen Dank an dich, Gabrijel! Ich lasse die Drohne über die Hügel fliegen und filme diese atemberaubende Natur. Ich werde Zeuge von einem wunderschönen Sonnenaufgang (siehe Fotogalerie). Ein zweites und letztes Mal möchte ich die Drohne fliegen lassen, da nun besseres Licht herrscht. Und da passiert es. Auf einmal ist das GPS weg. Ich kann die Drohne nicht mehr kontrollieren. Panik bricht in mir aus, immerhin ist es nicht meine. Melani denk nach!!! Ich renne die Treppen des Viewing Points hinunter und entdecke einen jungen Mann, der auf seinem Motorrad sitzt. Verzweifelt bitte ich ihn, mich dorthin zu fahren, wo die Drohne ihr letztes Signal abgegeben hatte. Die Fernbedingung noch immer in meiner Hand. Es beginnt zu piepsen - auch das noch; der Akku wird leer. Zwischendurch versuche ich nicht aufs Atmen zu vergessen. Wir kommen an. Weit und breit keine Drohne zu sehen, nur Palmen und Felder. Mittlerweile ist auch der Akku ausgegangen. Der Mann hilft mir bei der Suche. Erfolglos. Ich gebe ihm Geld für seine Hilfe und bedanke mich. Verzweifelt setze ich meine Suche alleine fort. Irgendwann habe auch ich die Hoffnung aufgegeben und begebe mich auf den Weg zurück ins Hotel.
Am Beginn des Dorfes stoße ich auf eine Gruppe von Männern, die auf einer Bank am Wegrand die Morgensonne genießen. Nach der gestrigen Prozession war ich keine Unbekannte mehr. Ich erzähle ihnen von dem Vorfall und sie beschließen sofort, mir zu helfen. Also geht es wieder zurück an den Ort des Geschehens. Aber auch diesmal keine Spur von der Drohne. Eine Stunde vergeht, wir gehen zurück ins Dorf, wo bereits jeder von dem Drohnen-Vorfall erfahren hatte. Zurück im Hotel, erzähle ich dem Hotelbesitzer und seinen Mitarbeiterinnen beim Frühstück von meinem Problem und bitte sie, mich zu kontaktieren, falls die Drohne auftauchen sollte. Der Hotelbesitzer kommt auf die Idee einen Beitrag auf der Hotel-Facebookseite zu veröffentlichen. Ich war überwältigt von der Unterstützung, die mir diese Menschen EINFACH SO entgegenbrachten. Gestärkt von dem Frühstück gehe ich wieder zurück zu dem Feld. Noch immer keine Drohne zu sehen. Auch der Himmel strahlt nicht mehr. Also mache ich mich auf den Rückweg ins Dorf. Wieder bleibe ich auf halbem Wege stehen als mich die Familie des Bürgermeisters zu sich einlädt. Sie haben ein Mittagessen vorbereitet, das sie mit mir teilen wollen (siehe Fotogalerie). So setze ich mich zu ihnen und wir reden über Gott und die Welt während es in Strömen schüttet.
Die Familie war unglaublich herzlich und obwohl wir uns eigentlich gar nicht kannten, fühlte es sich wie das genaue Gegenteil an. Sie bieten mir an, nach dem Regen mit mir hinauszufahren und die Suche fortzusetzen (siehe Fotogalerie). Ich verspüre unglaubliche Dankbarkeit. Stundenlanges Suchen und von all dem klebrigen Schlamm wiegen die Flip-Flops mittlerweile schon fünf Kilo (siehe Fotogalerie). Auch die letzte Suchaktion war erfolglos. Zu fünft machen wir uns auf den Rückweg und waschen uns die Füße in einer Grube, die nun dank des Regenwassers aufgefüllt war (siehe Fotogalerie). Ich sage euch, "Drohne" war das meistbenutzte Wort an diesem Tag. JEDER wusste von meiner Geschichte.
Zurück im Dorf komme ich mit einigen Leuten ins Gespräch, die mit wunderschönen Worten zu meiner Person mein Herz höher schlagen lassen. Und während ich diese Zeilen schreibe und zurückdenke kommen mir die Freudentränen. Ich fühle mich diesen Menschen so verbunden. Aber hey; das beste kommt noch! Nach all dem Trubel beschließe ich bis zur Fiesta zu bleiben und checke mir eine nächtliche Fahrt in die andere Unterkunft. Nach dem Abendessen ziehe ich mich um und treffe bei der Rezeption auf die Tochter des Hotelbesitzers. Wir machen uns zu dritt auf den Weg zum Basketballplatz. Das ganze Dorf war anwesend. Schnell wurde mir ein Platz angeboten, die jungen Teenager suchten schüchtern und lächelnd das Gespräch mit mir. Alle waren da und nach dem heutigen Tag erkannte ich schon einige Gesichter.
Kurz bevor die Show beginnt, spricht mich der Hotelbesitzer an und fragt, ob ich denn bereit wäre, eine Rede zu halten und über meine Erfahrungen in dem Dorf berichten möchte. So spontan wie ich bin, sage ich zu. Und dann war der Moment gekommen. Melani hält über 10.000 km von Zuhause entfernt eine Rede vor rund hundert Leuten eines Dorfes auf den Philippinen. Ich berichte von dem heutigen Tag und gebe zu, dass es mir zwar auch leid tue, die Drohne eines Freundes verloren zu haben, aber ich froh bin, dass dies passiert ist und die Dankbarkeit und Freude diesen Verlust überwiegen. Das, was ich im Gegenzug von all diesen Menschen erhalten habe, ist viel mehr wert als jeder Gegenstand. Abschließend bedanke ich mich bei allen, dass sie mir geholfen und mir das Gefühl von Zuhause gegeben haben. Während ich das sage blicke ich in strahlende Gesichter. Mir kommen Freudentränen und ein riesiges Lächeln zugleich. Ich bin von meinen Gefühlen überwältigt. Nach einem Applaus bitte ich um ein Foto als Erinnerung bzw. zwei, da eines nicht ausreichte um die gesamte Menschenmenge einzufangen (siehe Fotogalerie). Ich verabschiedete mich und setzte meine Reise fort. Social Media sei Dank bin ich noch immer im Kontakt mit einigen der Menschen, denen ich dort begegnete.
Ich sage euch: das Leben ist so verblüffend und spannend. Ich vertraue darauf, dass alles aus einem Grund passiert und ich die Dinge einfach geschehen lasse. Ich vergleiche das Leben gerne mit einem Buch, das man mit Freude und Neugier genießt. Ich liebe es, mich teilweise auch einfach überraschen zu lassen, wenn der rote Faden für mich zunächst zu fehlen scheint. Denn ich wäre selbst nie auf die Idee gekommen, so eine Story in mein Lebensbuch einzubauen. Ja, Gottes Wege sind unergründlich.
PS: Vor zwei Wochen habe ich eine Postkarte für die Großmutter der Familie, mit der ich zu Mittag aß, verfasst und abgeschickt, nachdem diese mir bei meiner Abfahrt erzählte, dass sie noch nie in ihrem Leben eine gekriegt hatte und sich sehr darüber freuen würde. Gesagt, getan. Auch mit diesem Beitrag schicke ich viel Liebe nach Buenos Aires, Carmen. Diesen Ort und diese Menschen werde ich nie vergessen und bestimmt noch einmal besuchen, das habe ich mir versprochen!

























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